Kirchentag 2007

unter der Losung "Lebendig und kräftig und schärfer"

 

(Einen Bericht vom Kirchentag in Köln von teilnehmenden Mitgliedern aus der Kirchengemeinde Fuhlen finden Sie auch in der Form eines Interviews mit Fotos auf der Seite Kirchentagsgottesdienst vom 1. September 2008)

Der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag stand in Köln 2007 unter der Losung «Lebendig und kräftig und schärfer». Das Leitwort aus dem biblischen Hebräerbrief (Kapitel 4, Vers 12) sollte die Großveranstaltung protestantischer Laien prägen, kündigte der Kirchentagspräsident und frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, am Montag vor Journalisten in Köln an. Der ganze Vers lautet: «Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.» Das Motto fordere auf, evangelisches und christliches Profil zu zeigen.

Der Gastgeber des Kölner Kirchentags, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, fügte hinzu, er erwarte vom Kirchentag und der gewählten Losung «konkrete Zeitansagen». Schneider verwies auf Themen wie Arbeitslosigkeit, Terror, Kriege und das Auseinanderfallen staatlicher Strukturen weltweit. «Auch Medien werden in einer Stadt wie Köln ein wichtiges Thema sein.»

Zum Thema der evangelisch-katholischen Ökumene unterstrichen Schneider und Höppner, dass «so viel Ökumene wie möglich» das Ziel sei. Es solle ökumenische Gottesdienste mit anderen Konfessionen wie Altkatholiken, Freikirchen und Orthodoxen geben. Auch ein gemeinsamer Gottesdienst im Dom mit dem Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner sei erwünscht und im Gespräch.

Auf die Frage nach einem gemeinsamen Abendmahl mit katholischen Christen antwortete Höppner, «auf dieses Wunder müssen wir noch warten». Schneider fügte hinzu, dass «alle an den Tisch des Herrn» geladen seien. «Wir respektieren die Bindungen der römisch-katholischen Kirche, aber wir erwarten auch den Respekt der katholischen Kirche uns gegenüber.»

Zudem solle der Kirchentag in Köln Startschuss für eine europäische Erweiterung und Internationalisierung der Veranstaltung sein, betonte der SPD-Politiker Höppner. Die europäischen Nachbarländer, insbesondere Frankreich, die Niederlande und Belgien würden stärker in die Vorbereitungen integriert werden. Erste Gespräche mit Kirchenvertretern dieser Länder hätten bereits stattgefunden.

Zu dem Großereignis der protestantischen Laienbewegung vom 6. bis 10. Juni 2007 wurden über 100.000 Dauerteilnehmer und zehntausende weitere Gäste aller Altersstufen in Köln erwartet. Das Budget bezifferten die Organisatoren auf rund 13 Millionen Euro. Finanzielle Unterstützung kam von der rheinischen Landeskirche, dem Land NRW und dem Bundesinnenministerium. Auch um Unterstützung durch die Stadt Köln bemühten sich die Veranstalter.

Der Kirchentag wurde am Mittwoch, den 6. Juni um 18 Uhr mit Eröffnungsgottesdiensten auf den Poller Wiesen mit Ansprachen von Nikolaus Schneider, Jürgen Rüttgers und Fritz Schramma, dem Roncalliplatz, am Heumarkt und im Gürzenich eröffnet. Ein weiterer inoffizieller Gottesdienst fand für die Mitwirkenden des Marktes der Möglichkeiten in Halle 4.1 des Messegeländes statt. Gefolgt wurden die Gottesdienste vom Abend der Begegnung, der unter dem Motto Da simmer dabei stand, und der auf Bühnen und Straßen in der Kölner Innenstadt und des Rheinufers stattfand. Zum Abschluß des Abends wurde das Werk "Abendglühen" des Kölner Komponisten Markus Stockhausen uraufgeführt, in welchem mit vier Posaunenchören auf beiden Rheinufern ein Klangteppich über den Rhein gelegt wurde, und der Fisch, das Symbol des Kirchentages, an der Hohenzollernbrücke illuminiert.

Der Kirchentag gliederte sich in die drei Themenbereiche Mensch, Gemeinschaft und Welt, denen die Veranstaltungen zugeordnet wurden. Daneben existierten geistliche Veranstaltungen wie Bibelarbeiten, Gottesdienste und Meditationen sowie kulturelle Angebote wie Konzerte, Kirchenmusik, offenes Singen, Kunstausstellungen, Musik- und Tanzworkshops und Theatervorführungen.

An Diskussionen, Bibelarbeiten und Vorträgen waren zahlreiche Politiker sowie aktuelle und ehemalige Bundesminister beteiligt. Bibelarbeiten wurden neben zahlreichen Fachleuten und Theologen verschiedener Konfessionen auch von den Politikern Ute Canaris, Jürgen Ebach, Katrin Göring-Eckardt, Thomas de Maizière, Reinhold Robbe, Jürgen Rüttgers, Wolfgang Schäuble, Henning Scherf, Guntram Schneider, Wolfgang Thierse, Erhard Eppler, Antje Vollmer, Karin von Welck durchgeführt, an weiteren Diskussionen und Vorträgen beteiligten sich unter anderem auch Klaus Töpfer, Norbert Blüm, Angela Merkel und Horst Köhler.

Es wirkten auch prominente Wissenschaftler und Theologen der katholischen und anglikanischen Kirche, der jüdischen Religion und dem Islam sowie prominente Laien, beispielsweise Schauspieler oder Künstler, bei Bibelarbeiten und theologischen Dialogen mit. Einlagen von Kabarettisten wie Matthias Deutschmann und Musikbeiträge wie die der Studiogruppe Baltruweit von Fritz Baltruweit lockerten die ernsten Themen auf.

Es wurden außerdem mehrere ökumenische Gottesdienste mit Katholiken veranstaltet. Im Kölner Dom fand am 9. Juni 2007 ein großer ökumenischer Gottesdienst mit Joachim Kardinal Meisner, dem Erzbischof von Köln, Präses Nikolaus Schneider und dem griechisch-orthodoxen Metropoliten Augoustinos statt, der außer den Katholiken auch die orthodoxen Christen einbezog.

Präses Nikolaus Schneider und Joachim Kardinal Meisner nahmen an einer viel beachteten Dialogbibelarbeit über (Jer 23,16 EU) bis (Jer 23,32 EU) teil, die im wesentlichen im Konsens verlief. Zum Abschluss wies Kardinal Meisner Kritik auf die Gefahr „falscher Propheten“ in heutiger Zeit hin.

Auch andere prominente katholische Theologen wirkten mit: Karl Kardinal Lehmann, der Erzbischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Pater Anselm Grün, der eine Bibelarbeit durchführte, die für so großen Andrang sorgte, dass der Einlass in die Halle wegen Überfüllung gestoppt werden musste.

Weitere evangelische Theologen partizipierten: Jörg Zink, der mehrere Bibelarbeiten, einen bemerkenswerten Vortrag über Meditation hielt und an einer Diskussion über den Generationenkonflikt teilnahm, die Landesbischöfin Margot Käßmann, Bischof Dr. Wolfgang Huber, Prof. Dr. Konrad Raiser, Pfarrer Friedrich Schorlemmer, Rosemarie Wenner und Antje Vollmer sowie Pfarrerin Kathy Galloway von der Iona Community.

An Bibelarbeiten beteiligten sich Mandatsträger wie Dr. Wolfgang Schäuble, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Kanzleramtschef Dr. Thomas de Maizière. Horst Köhler, der deutsche Bundespräsident, Suvarna Gandham und Peter Krämer wirkten bei einer Veranstaltung über die Gestaltung der Globalisierung mit.

Als prominente Laien engagierten sich der Schauspieler Peter Sodann und die Lyrikerin Kathrin Passig beim Kirchentag.

Beim Kirchentag traten die Kölner Bläck Fööss gemeinsam mit den evangelischen Posaunenchören auf. Naturally 7 gaben ein Konzert vor dem Kölner Dom und boten außerdem Workshops über Gospelmusik an.

Beim Power of Love-Festival am Freitag wirkten ausschließlich christliche Bands mit, unter anderem Dieter Falk, Ararat, Allee der Kosmonauten und die Newsboys. Bei dieser Veranstaltung verteilte die Christoffel-Blindenmission kostenlose Schutzengel aus Holz, die an einem blauen Band angebracht waren und für die um eine freiwillig Spende gebeten wurde. Es wurde ein Talk mit der bekannten christlichen Popsängerin Sarah Brendel durchgeführt.

Außerdem gab es Darbietungen von den christlichen Liedermachern Birgit Kley mit ihren Kollegen Jonathan Böttcher und Helmut Krüger, die auch die offizielle Kirchentags-CD Aus gutem Grund getextet, komponiert und eingespielt haben, Eugen Eckert mit Habakuk sowie Clemens Bittlingers, die neben Konzerten auch freies Singen anboten, bei dem das Publikum in die Lieder einstimmen konnten.

Auf der CVJM-Bühne „Ich glaub's“ am Neumarkt fand eine Mischung aus christlicher Musik, Kleinkunst und Tanzdarbietungen statt. Die jugendlichen Tänzer von iThemba beeindruckten mit synchronen Tanzdarbietungen zu südafrikanischer Hiphop-Musik und pantomischen Vorführungen, die beispielsweise das Thema Aids behandelten.

Zwischen den Programmen schilderten die Teammitglieder ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Glauben an Jesus Christus, der ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme wie Alkoholsucht, Gleichgültigkeit der Erwachsenen, Vergewaltigung und Hoffnungslosigkeit half.

Die „Klaun KG“ bot Akrobatik, wie Einradfahren und Jonglieren, gepaart mit Comedy und schwarzem Humor.

Die politisch engagierte Veranstaltung Die Macht der Würde: Globalisierung neu denken begleitete den G8-Gipfel in Heiligendamm kritisch. Hieran nahmen Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika, Susan George von Attac France, Kirchentagspräsident Dr. Reinhard Höppner sowie der EKD-Vorsitzende Dr. Wolfgang Huber teil. Die Musiker von Brothers Keepers, Rolf Stahlhofen und Afrob untermalten diese Veranstaltung musikalisch.

Ein Highlight des Kirchentages war die von Wolf von Lojewski moderierte Veranstaltung am Samstag, dem 9. Juni 2007, bei dem Angela Merkel und der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der schon an einer weiteren Diskussion über Millennium Development Goals am Vortag teilnahm, über die Gestaltung der Weltwirtschaft debattierten, und die in einer völlig überfüllten Halle stattfand. Die Diskussion wurde über Lautsprecher in die daneben liegende Halle übertragen, wo das Publikum ebenfalls sehr gedrängt stand.

Eine wichtige Veranstaltung war „Gott im Alltag“, wobei Prof Dr. Dietrich Grönemeyer und Wolf von Lojewski über Gotteserfahrungen zwischen Allmacht und Ohnmacht diskutierten und praktische Erfahrungen aus ihrer Berufswelt einfließen ließen. Ferner wirkten an dieser Veranstaltung Marianne Birthler und Christine von Weizsäcker mit, die ihre Erfahrung mit Gott im Alltag darlegten.

Auch die Veranstaltung Wie geht evangelisch? - So geht evangelisch!, die am Roncalliplatz vor dem Kölner Dom die Grundlagen des evangelischen Glaubens behandelte und bei der Wolf von Lojewski, Reinhard Höppner sowie die Theologen Margot Käßmann und Prof. Dr. Konrad Raiser sprachen, fand großen Anklang. Im Anschluss an die Diskussion wurden beim Abendgebet von Kirchentagspräsident Reinhard Höppner die Ergebnisse des G8-Gipfel hinterfragt und die Fortschritte einer Absprache für den Klimaschutz begrüßt, es wurden hierfür die Nachrichten der Tagesschau auf der Monitorwand eingespielt. Das aggressive Vorgehen der Polizei gegen die Greenpeace-Aktivisten, wobei ein Greenpeace-Schlauchboot von einem Polizeischnellboot überfahren wurde, rügte Höppner und meinte, die Polizei hätte die Erklärung von Greenpeace übernehmen und an die zuständigen Politiker weiterreichen sollen. Gleichzeitig wurden die Aktivisten des Schwarzen Blocks von ihm dafür kritisiert, dass sie die durch die Steinwürfe die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zögen und von den eigentlichen Problemen, der Notlage der Entwicklungsländer und der Erderwärmung ablenkten. Höppner sprach an, dass man nur, wenn der Feind eine Lebensgrundlage hat, selber in Frieden leben kann, und verwies somit auf die Bergpredigt (Mt 5,44 EU).

Franz Josef Jung, der Bundesverteidigungsminister, nahm an einer Podiumsdiskussion teil, die sich mit dem Terrorismus und seiner Überwindung auseinandersetzte. Franz Müntefering stellte sich einer Diskussion über Hartz IV.

Auf dem Markt der Möglichkeiten mit der angeschlossenen Medienmeile und der Messe im Markt boten in 6 Messehallen über 700 Ausstellungsstände, die gemäß der Themenbereichen Mensch, Gemeinschaft und Welt unterteilt waren, Informationen und Kontaktmöglichkeiten.

Der Abschlussgottesdienst wurde am 10. Juni 2007 von 10.00 bis 11.30 Uhr um eine Bühne auf den Poller Wiesen im Kölner Süden vor über 100.000 Gottesdienstbesuchern gefeiert. Die Predigt hielt Pfarrerin Mechthild Werner aus Erfurt zum Bibelwort „Steh auf und iss“ (1 Kön 19,1–13 EU) Sie stellte dabei den Hunger in vielen Entwicklungsländen der Überernährung in den Industrieländern gegenüber und stellte die Anwendbarkeit des Bibelspruchs für letztere in Frage. Kirchentagspräsident Höppner rief zur Achtung der Menschenwürde auch gegenüber Feinden, wie etwa den Taliban oder Terroristen, auf. Nur wo auch der Feind einen menschenwürdigen Platz habe, könne Frieden werden. Zur musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes trug die A-Capella-Gruppe Wise Guys, der Kammerchor Gli Scarlattisti, Matthias Nagel mit einer Projektband sowie zahlreiche Posaunenchöre bei. Traditionell wurde gegen Ende des Gottesdienstes vom Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zum nächsten Katholikentag 2008 in Osnabrück und vom Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche Renke Brahms zum 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag 2009 in Bremen eingeladen.

Nach Angaben der Veranstalter nahmen rund 110.000 angemeldete Dauergäste am Evangelischen Kirchentag 2007 teil. Zusätzlich habe man 50.000 Tagesteilnehmer gezählt. Den „Abend der Begegnung“ nach dem Eröffnungsgottesdienst, der mit einem Straßenfest zu beiden Seiten des Rheines verbunden war, besuchten nach Angaben der Organisatoren zirka 400.000 Menschen. Nach Medienberichten wurden die Veranstaltungen des Kirchentages insgesamt von rund einer Million Menschen besucht.

Literatur:

  • Lebendig und kräftig und schärfer - Programm 2007, Köln 2007
  • Deutscher Evangelischer Kirchentag 2007 - Dokumente. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, ISBN 3579004662
  • Nikolaus Schneider, Anne Schneider: lebendig, kräftig, schärfer - Erfahrungen und Gedanken zu den biblischen Texten des 31. evangelischen Kirchentages in Köln. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007, ISBN 3797501625
  • Silke Lechner, Ellen Ueberschär: Lebendig und kräftig und schärfer. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, ISBN 3579004654
  • Ich liebe. Diligo. I love. lebendig und kräftig und schärfer. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 3525633785